Weicher Brexit?!

Nachdem die Verhandlungen mit Großbritannien über den EU-Ausstieg immer mehr in einer Sackgasse zu enden drohten, und es weder vor noch zurück ging, überschlugen sich in den letzten Tagen die Ereignisse. Premierministerin May zeigte ganz offen klare Sympathien für den weichen Brexit inklusive Freihandelszone mit der EU und zwei Brexit-Hardliner verließen das britische Kabinett.

Einigung mit GB bis Herbst 2018

Fest steht, dass am 29. März 2019 um Mitternacht mitteleuropäischer Zeit Großbritannien die EU verlassen wird. Wie dieser Austritt genau aussehen soll, ist leider nach wie vor völlig offen. Die Verhandlungen seit dem Brexit-Votum 2016 waren von gegenseitigem Unverständnis geprägt – während die EU Großbritannien keine Vorteile im Austritt gewähren wollte (entweder Zollunion oder Drittlandszölle), blieben die Briten bei ihren Forderungen zu Beschränkungen auf Kapital, Arbeitsmarkt und Dienstleistungen hart.

Der neue Plan von Theresa May löste nun hohe Wellen in der EU-Führung aus. Unter dem EU-Vorsitz Österreichs werden nun wohl die wichtigen Verhandlungen zum Brexit stattfinden. May möchte einen EU-Austritt mit Einrichtung einer Freihandelszone mit der EU. Das würde bedeuten, dass Großbritannien weiterhin am europäischen Binnenmarkt für Waren teilhaben kann, und im Gegenzug die EU-Vorschriften und Standards beibehalten wird. Weitere Freihandelsabkommen mit anderen Staaten wie der USA oder China wären für Großbritannien möglich, und könnten günstiger als die bestehenden EU-Abkommen abgeschlossen werden. Die Freiheiten für Arbeitskräfte, Geldströme und Dienstleistungen sollen aber eingeschränkt werden. Damit werden drei der vier Freiheiten des Binnenmarkts der EU beschränkt – ob die Europäische Union darauf eingehen wird, ist also mehr als fraglich.

Dennoch hat der Vorstoß der britischen Premierministerin den Weg für konstruktive Verhandlungen geebnet, denn zwei Brexit-Hardliner haben daraufhin das britische Kabinett verlassen. Der britische Brexit-Minister David Davis und der Außenminister Boris Johnson warfen überraschend das Handtuch, und verurteilten Mays Entschluss auf die EU zuzugehen. Das britische Kabinett stimmte indessen dem neuen Vorgehen für die Austrittsverhandlungen zu.

Die Gespräche müssen nun aber an Geschwindigkeit zunehmen, denn laut Experten muss eine mögliche Einigung bis Mitte Oktober stehen, damit der Prozess fristgerecht ratifiziert werden kann. Und es sind nicht nur wirtschaftliche Fragen zu klären, im Grunde wurde seit 2016 nichts zum Austritt Großbritanniens aus der EU beschlossen!

Streitpunkte des Brexits

Folgende Problem-Bereiche müssen in der Zeit des österreichischen EU-Vorsitzes mit Großbritannien geklärt werden:
  • EuGH: Großbritannien will bindende Urteile des Europäischen Gerichtshofes nicht anerkennen. Im Grundsatzpapier ist die britische Regierung sehr vage geblieben, und spricht von einer „Beachtung“ der gemeinsamen Regeln, wo diese gelten (z.B. in einer Freihandelszone).
  • Sicherheit: bei der europäischen Zusammenarbeit in den Bereichen der Sicherheit und Verteidigung will Großbritannien auch zukünftig keine Einschränkungen. Jedoch steht dies im Widerspruch zum Europäischen Rat, denn dann müsste sich Großbritannien den Urteilen des EuGH unterwerfen.
  • Freihandel: auch wenn die EU die Freihandelszone mit Großbritannien absegnet, bleibt die Frage nach den Waren, die über die britischen Inseln in die EU eingeführt werden. Diese wären dann zu verzollen – da es dann aber keine einheitlichen Außenzölle mehr gäbe, stellt sich die berechtigte Frage nach der Kontrollierbarkeit.
  • Immigration: die größte Sorge der Briten ist der Zuzug billiger Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern. Die jetzt bereits in Großbritannien lebenden EU-Bürger dürfen auch weiterhin bleiben, müssen sich aber registrieren, das wurde bereits 2017 beschlossen. Zukünftig sind aber die Barrieren für europäische Einwohner deutlich höher. Hier wird aber einer der Grundsätze des europäischen Binnenmarkts verletzt, und ob die EU darauf einsteigen wird, bleibt fraglich.
  • Grenze zu Irland: diese Frage ist noch völlig ungelöst – denn eine befestigte EU-Außengrenze innerhalb Irlands ist auch in Hinsicht auf die vergangene Gewalt in Nordirland undenkbar. Der rege Handel und Personenverkehr zwischen Nord- und Südirland wäre auf einen Schlag zerstört!
Theresa May hat auf den Rücktritt des britischen Außenministers Johnson schnell reagiert und ihren Gesundheitsminister Jeremy Hunt zum Nachfolger bestimmt. Dieser unterstützt das Vorgehen der Premierministerin und die Personalrochade kann vielleicht dazu führen, dass die Zerstrittenheit des britischen Kabinetts beendet ist. Da für die Verhandler harte Wochen bevorstehen, und die Zukunft des europäischen Binnenhandels auf dem Spiel steht, bleibt das zu hoffen!

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