(K)Ein Weg aus dem Brexit Labyrinth für Briten

Die EU Wahl offenbarte, was jeder schon wusste. Großbritannien ist tief gespalten. Doch was bedeutet das für den Brexit? Mays Rücktritt macht diese Frage nicht leichter. Die Zukunft des Vereinigten Königreichs liegt in den Händen des neuen Premiers.

Extreme Polarisierung nach EU Wahl

Die EU-Wahl am Wochenende hat die vorangegangenen Meinungsumfragen bestätigt. Nigel Farages Brexit-Partei hat mit 32 Prozent haushoch gewonnen. Die Volksparteien gingen wie erwartet als die großen Verlierer heraus. Das britische Volk hat den Konservativen vergangenen Donnerstag mit einem miserablen Wahlergebnis, nämlich einem Rekordtief von nur neun Prozent einen gehörigen Denkzettel verpasst. Auch die Labour Partei schnitt mit 14 Prozent nur sehr schwach ab. Im Allgemeinen war die Wahlbeteiligung in Großbritannien mit 37 Prozent deutlich unter dem EU-Durchschnitt – und nur ein Prozent mehr als bei den letzten Europa-Wahlen. Der Frust der Briten über den andauernden, ungewissen Zustand im eigenen Land motivierte wohl nicht sonderlich zum Urnengang. Dennoch bezeichnen viele die EU-Wahlen als Ersatz-Referendum über den Brexit.

Doch was bedeutet das Wahlergebnis jetzt für den Brexit? Farage zieht mit seiner Brexit-Partei in das Europäische Parlament ein und will neue Verhandlungen mit der EU forcieren. Wann und in welchem Ausmaß diese überhaupt stattfinden werden, ist jedoch ungewiss. Die Wahlergebnisse legten eine starke Polarisierung Europas offen und die Suche nach der neuen Besetzung der heiß begehrten Ämter scheint nun erstmal schwierig und langwierig, angesichts der tiefen Spaltung sogar konfliktreich. Und würde sich die EU auf erneute Gespräche einlassen, wäre das ein Zeichen von Schwäche, ja geradezu eine Aufforderung, sich vom Vereinigten Königreich wie es ihm beliebe herumschupfen zu lassen. Die EU wird demnach vermutlich erst mal abwarten.

Wer wird neuer Premierminister?

Das Ringen um den Vorsitz findet nicht nur im EU-Parlament statt. Nach der nicht weiter überraschenden Ankündigung des Rücktritts der britischen Premierministerin Theresa May geht ein erbitterter Kampf um die ranghöchste Position in der Regierung des Vereinigten Königreiches los. Bis 7. Juni soll ein Nachfolger gefunden werden. Favorit ist Boris Johnson, ehemaliger Bürgermeister und Außenminister unter May. Der Brexit-Hardliner ist vor allem bekannt für seine unkonventionelle und undiplomatische Art. Seine dreiste Lüge über die zu hohen Kosten der britischen EU-Mitgliedschaft während der Brexit Kampagne, welche maßgeblich das Ergebnis des Referendums 2016 zugunsten eines Ausstiegs beeinflussten, schienen ihm die Bürger Großbritanniens großmütig verziehen zu haben. Wiederholt deklarierte er notfalls einen No-Deal-Brexit und fährt damit die gleiche Schiene wie Nigel Farage. „Wir werden die EU am 31.Oktober verlassen, mit einem Deal oder ohne.“ und „Einen guten Deal bekommt man, indem man sich auf eine No-Deal-Situation vorbereitet“, verlautbarte Johnson. Das lässt Unternehmen natürlich bangen, denn ein Hard Brexit würde unter dieser Führung immer wahrscheinlicher. Bevor es jedoch zu einem Hard Brexit durch einen Hardliner kommen würde, könnte die andere Seite durch ein Misstrauensvotum den neuen Premierminister – ganz nach Österreichs Vorbild – wieder absetzen. Und das Spiel geht weiter.

Ehrgeizige Ambitionen auf das höchste Regierungsamt zeigen auch der ehemalige Brexit-Minister Dominic Raab, der wegen seiner Ablehnung gegenüber des Austrittsabkommens zurücktrat und der amtierende Außenminister Jeremy Hunt – Verfechter eines weichen Brexits und daher für die Opposition attraktiv. Nicht besonders aussichtsreiche Kandidaten sind die bekennende Brexiteer und äußerst schlagfertige Andrea Leadsom, Fraktionsvorsitzende der Konservativen im Unterhaus, Innenminister Sajid Javid, der im Zuge des Debakels von der „Remain“-Seite zur „Leave“-Seite wechselte und Gesundheitsminister Matt Hancock, der Mays Abkommen bis zuletzt unterstützte.

Ruf nach Neuwahlen

Leicht wird es für den Nachfolger allemal nicht, denn er oder sie übernimmt eine zerrissene Partei und eine Einigung scheint doch der erbitterten Machtkämpfe zwischen Tories und Labours wegen aussichtslos. Vielversprechender seien Neuwahlen, die sich von den Tories nach der herben Niederlage wohl nur Boris Johnson zutrauen würde. Allen voran fordert Labour-Parteichef Jeremy Corbyn vorgezogene Neuwahlen, weil er sich dadurch selbst den begehrten Vorsitz im Unterhaus erhofft. Allerdings müssen auch sie für einen erfolgreichen Wahlkampf erst eine klare Linie finden. Sind sie nun für ein zweites Referendum oder gleich für den Verbleib in der EU?

Nigel Farage, der bereits ankündigte bei zukünftigen Neuwahlen kräftig mitzumischen, könnte – wie die EU-Wahlen gezeigt haben – den beiden Volksparteien viele Stimmen kosten. Die Liberalen und die Grünen legten ebenso stark zu. Somit wird sich ein spannendes Kopf-an-Kopf Rennen zwischen den Brexiteers und den Linken abzeichnen – welche Parteien werden schlussendlich eine stabile Regierung bilden können? Kämen dabei die Linken an die Macht, wäre ein erneutes Referendum mit Verbleib bei der EU vielleicht doch noch möglich.

Fazit

Auf den ersten Blick mag der Rücktritt von May wie das lange ersehnte Licht am Ende des Brexit-Tunnels erscheinen, aber nach Abwägen aller Wahrscheinlichkeiten lässt auch dies keinen raschen Ausweg aus dem Brexit-Labyrinth erkennen. Bis Juli müssen die Tories sich auf einen neuen Nachfolger einigen, der auch von der nordirischen Unionistenpartei akzeptiert werden muss. Auf die Sommerpause folgt die Einarbeitung der neuen Regierung und vor den Parteitagen im Oktober sei kein schnelles Brexit-Wunder zu erwarten. Und kommen auch noch vorverlegte Neuwahlen dazwischen, verschiebt sich abermals alles nach hinten. Viel wahrscheinlicher sei der Ausweg aus dem Brexit-Labyrinth einer, bei dem das Parlament nicht mit einer Mehrheit zustimmen müsste – nämlich der, der einfach mit Ablauf der Frist am 31.Oktober passieren würde.

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